Fraktionspräsident Christian Lippuner beantwortet die wichtigsten Fragen zum Sessionsstart
In der kommenden Woche trifft sich der St.Galler Kantonsrat zur Novembersession. Warum lohnt es sich, diese mitzuverfolgen?
Christian Lippuner: In der Novembersession beschliesst der Kantonsrat jeweils das Budget für das Folgejahr. Insbesondere wird entschieden, wie viel Steuern die Bürgerinnen und Bürger im kommenden Jahr bezahlen müssen und wie viel Geld der Kanton für was ausgeben darf. Aufgrund der positiven Finanzprognosen des Kantons setzt sich die FDP für eine tiefere Steuerbelastung der Bevölkerung ein. Zusammen mit den anderen bürgerlichen Parteien machen wir uns für eine Senkung des Steuerfusses von 110 auf 105 Prozent stark.
Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Steuersenkung?
Christian Lippuner: Steigende Energiekosten und die Teuerung generell bereiten der Bevölkerung und der Wirtschaft grosse Sorgen. Die wirksamste Entlastungsmassnahme in diesem Fall ist, den Steuerzahlenden weniger Geld aus den Taschen zu ziehen. Insbesondere kann es nicht sein, dass immer mehr Geld in die Staatskasse gespült wird und diese sogar mit Gewinn abschliesst, während die Bevölkerung und die Wirtschaft unter den Folgen der Inflation leiden. Tiefere Steuern verbessern zudem die Standortattraktivität, was mittelfristig zu einer höheren Steuerkraft führt.
Um Finanzen geht es auch im Geschäft zu den Olma-Messen. Wie konnte es überhaupt zu diesen Problemen kommen?
Christian Lippuner: Die Genossenschaft Olma-Messen St.Gallen befindet sich bekanntlich seit Beginn der Covid-19-Pandemie aufgrund der Einschränkungen in finanziellen Schwierigkeiten. Ursprünglich wurde die Olma mit einem kantonalen Coronadarlehen über 8.4 Millionen Franken unterstützt. Dieses reichte jedoch nicht aus. Die Finanzlage ist primär aus drei Gründen nach wie vor angespannt: Erstens dauerte die Pandemie länger, als bei der Sprechung des Coronadarlehens ursprünglich erwartet. Zweitens erhielt die Olma keine Härtefallgelder, weil mehr als 10 Prozent ihrer Anteile in Staatsbesitz sind. Drittens kostet der Bau der neuen Halle 1 aufgrund der Bauteuerung deutlich mehr als geplant. Es ist vorhersehbar, dass einige Parteien im Parlament die Gelegenheit nutzen werden, die Strategie der Olma anzuzweifeln oder andernorts Kritik zu äussern. An der finanziellen Schieflage ändern diese politischen Profilierungsversuche jedoch nichts.
Welche Entscheidungen müssen hier im Kantonsrat getroffen werden?
Christian Lippuner: Der Kantonsrat muss zwei Fragen beantworten, die unmittelbar miteinander verknüpft sind: Soll das Coronadarlehen über 8.4 Millionen Franken in Eigenkapital umgewandelt werden? Soll die Genossenschaft Olma-Messen St.Gallen neu eine Aktiengesellschaft werden? Auf diese komplexen Fragen gibt es zwei einfache Antworten: Ja und Ja. Kurz gesagt ist es unrealistisch, dass die Olma das Coronadarlehen zurückzahlen kann. Statt es abzuschreiben und einen Konkurs der Messe zu riskieren, ist eine einmalige Umwandlung in Eigenkapital die sinnvollere Lösung. Der Wandel in eine Aktiengesellschaft ist zeitgemäss und eröffnet der Olma weitere Möglichkeiten, um den derzeitigen Herausforderungen entgegenzutreten.
Politisch ist die Spitalpolitik im Kanton St.Gallen ein Dauerbrenner – auch in dieser Session?
Christian Lippuner: Selbstverständlich. Nachdem bei vergangenen Sessionen intensiv über die Organisation der St.Galler Spitäler diskutiert wurde und dies aufgrund hängiger Motionen auch in Zukunft noch einmal aufkommen wird, geht es jetzt darum, die Spitalregionen finanziell zu sanieren und das wichtige Bauvorhaben am Standort Grabs zu sichern. Die FDP-Fraktion hat bereits 2016 mit Vehemenz auf die prekäre finanzielle Lage dieser Spitäler hingewiesen und darauf gedrängt, dass die Spitalstrategie grundlegend angepasst werden muss. Die vorliegende Sanierungsvorlage ist somit sicherlich notwendig und richtig, um die vorliegenden Herausforderungen nachhaltig angehen zu können.
Steuerentlastung, Olma, Spitalpolitik: Die Themen tönen vielversprechend, aber was soll der «XXIII. Nachtrag zum Geschäftsreglement des Kantonsrates» sein?
Christian Lippuner: Der Titel dieses Geschäfts ist in der Tat nichts, was mich vor meiner Zeit als Kantonsrat angesprochen hätte. Das Geschäft hat es jedoch in sich. Generell wird mit diesem Nachtrag ein Teil des bereits beschlossenen Haushaltsgleichgewichts 2022plus, welches den Kantonshaushalt wieder ins Gleichgewicht bringen soll, umgesetzt. Mit der Streichung der Aprilsession sollen einerseits Kosten gespart und mit der gleichmässigen Verteilung von vier Sessionen über das ganze Jahr eine zuverlässigere Bewältigung der hohen Geschäftslast ermöglicht werden. Um die verlorene Zeit wiederum einzuholen, sollen die Sitzungszeiten während den Sessionstagen als Ausgleich von 17:00 auf 18:00 Uhr ausgedehnt werden. Ein Sessionstag von 08:30 bis 18:00 Uhr sollte für alle Kantonsrätinnen und Kantonsräte zumutbar sein – hoffe ich.
Die Novembersession findet vom 28. bis 30. November 2022 statt. Wie gross ist die Vorfreude beim Fraktionspräsidenten?
Christian Lippuner: Die Vorfreude ist – wie immer – gross! Ebenso gross dürfte diese bei unseren neuen Fraktionsmitgliedern Ruth Keller-Gätzi und Ruben Schuler sein. Ich wünsche beiden viel Freude uns gutes Gelingen bei der Ausführung ihres neuen Amtes.