Das Recht muss gepflegt werden

Gedanken zur Rechtspflege

Die Rechtspflegekommission (RPK) als Aufsichtsgremium des Kantonsrates bewegt sich dabei immer im Spannungsfeld zwischen der Beachtung der Gewaltenteilung und der Pflicht, die dritte Gewalt im Staate zu beaufsichtigen. Gewisse ungute Entwicklungen in der Rechtspflege bedürfen einer baldigen Antwort durch den Gesetzgeber.

In einem weitherum beachteten Artikel hat Martin Lendi, emeritierter Professor für Rechtswissenschaften an der ETH Zürich und langjähriger Sekretär des Baudepartementes des Kantons St.Gallen (1961–1969), in der NZZ vom 10. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass das Recht zu pflegen sei: «Das Recht lebt aus dem angemahnten Fundament heraus, konkret von der Rechtssicherheit und von der Änderbarkeit. Mithin bedarf es stets der rechts politischen/rechtskulturellen Fähigkeit zum Doppel von Berechenbarem und geordnetem Neu­-Werden. Selbst das Recht – zum Teil berechtigt – leidet. Von Normenflut, von Verrechtlichung ist despektierlich oder echt besorgt die Rede.»

Oft letztes Korrektiv

Die Rechtspflegekommission (RPK) nimmt sich der Pflege des Rechts immer wieder von neuem an – sie hält dabei aber Abstand zur täglichen, konkreten Rechtsprechung, beobachtet dagegen Entwicklungen des Rechts, der Judikative und ihrer Besetzung sorgfältig. Letzteres im Wissen, dass der Judikative gegenüber den beiden anderen klassischen Staatsgewalten eine besondere Funktion zukommt. Einmal abgesehen von allfälligen direktdemokratischen Korrekturmechanismen kann oft nur die Justiz Einhalt gebieten, wenn Legislative oder Exekutive rechtliche Schranken missachten. Dabei ist die Justiz auf eigenständige Stärke und Autorität angewiesen. Andererseits verleiht ihr das Privileg, Recht zu sprechen, nicht das Recht, in allem auch «Recht zu haben».

Justiz begleiten

Die Frage, wie weit die parlamentarische Oberaufsicht geht und zu gehen hat, ist dabei ein Dauerthema, insbesondere dann, wenn die Wut des Bürgers oder der Medien in Forderungen nach politischer Intervention in die Justiz mündet. Die kollektive Empörungsbereitschaft bedarf gerade in diesen Fällen einer klaren Antwort, die sich an wohldurchdachten Strukturen und Prozessen und letztlich an rechtsstaatlichen Abläufen und Grundsätzen orientiert. Die RPK nimmt in diesem Verständnis für den Kantonsrat die Oberaufsicht über die Justizbehörden wahr. Der Grundsatz der Gewaltenteilung setzt der Kontrolle der RPK enge Grenzen. Dennoch: Die Justiz ist als dritte Staatsgewalt auch nicht frei und ungebunden, sie muss ihrerseits sorgfältig begleitet und beobachtet werden.

Grundkompetenzen fördern

Mit Sorge beobachtet die Kommission die Ausbildung des juristischen Nachwuchses. Noch heute kann man z.B. an der HSG die Bachelor-Stufe von vier Semestern mit 120 Credits weitgehend ohne Verfahrensrecht abschliessen. Klarere Vorgaben an das Studium und ein höherer Stellenwert des Verfahrensrechtes wären aber zwingend und sollten auch in die Überlegungen des Schweizerischen Anwaltsverbandes zur Reform und gesamtschweizerischen Vereinheitlichung der Anwaltsprüfung einfliessen. Die Schulen vernachlässigen zudem das Erlernen der deutschen Sprache. An der HSG sprechen Professoren bereits von einem sekundären Illettrismus. Nicht nur sie, auch Gerichte und Anwälte beklagen sich vermehrt darüber. Es muss überlegt werden, ob nicht das Vorhandensein ausgezeichneter Deutschkenntnisse zur geprüften Voraussetzung für die Ausübung eines juristischen Berufes in unserem Kanton gemacht werden sollte.

Und der Mittelstand?

Der Gang zum Richter wird immer mehr erschwert. Wer unter dem Existenzminimum lebt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und ist von der Leistung von Vorschüssen sowie der sofortigen Bezahlung von Gerichtsgebühren befreit. Wer über entsprechende finanziellen Ressourcen verfügt, hat keine Probleme mit dem Zugang zum Richter. Der Mittelstand kann es sich dagegen kaum noch leisten, den Zivilrichter anzurufen. Unter Hinweis auf finanzpolitische Fragen wurden so etwa gesamtschweizerisch und im Kanton St.Gallen die Gerichtskosten erhöht und von den Gerichten eine gesetzlich so nicht vorgesehene Vorschusspflicht eingeführt.