„Die Leute wollen uns spüren“

Andrea Caroni als Festredner am FDP-Parteitag 2012

Als liberales Original in der Schweizer Parteienlandschaft müsse die FDP wieder eine LVP, eine liberale Volkspartei sein, forderte der Ausserrhoder Nationalrat Andrea Caroni am Parteitag der St.Galler FDP. Mit seiner Festrede lieferte der 32-Jährige die Initialzündung für die Gemeinderatswahlen vom kommenden Herbst.

Kirchberg, 15. Juni 2012 | „Occupy Dorfplatz“ – unter diesen Aufruf stellte die St.Galler FDP ihren diesjährigen kantonalen Parteitag in Kirchberg. Nationalrat Andrea Caroni hat mit diesem Motto im vergangenen Herbst in Appenzell Ausserrhoden den Sprung nach Bern geschafft. Die Unterstützung durch seine zahlreichen Helfer und die unzähligen Begegnungen mit der Bevölkerung bezeichnet er heute als den Schlüssel zum Erfolg. In Kirchberg glänzte der 32-Jährige, der jüngst in den Vorstand der FDP Schweiz gewählt worden ist, als Motivator im Vorfeld der St.Galler Gemeindewahlen vom September.

Ideen der FDP sind höchst attraktiv

Auf nationaler Ebene büsst die FDP seit 1979 kontinuierlich Wähleranteile ein. Am Liberalismus könne dies schwerlich liegen, sagte Caroni mit dem Verweis auf die jüngeren Geschehnisse in Nordafrika und im Mittleren Osten. „Auch wenn wir nach Europa schauen, gilt: Je dunkler der Himmel über dem Euro-Schuldensumpf, desto heller leuchtet der Leitstern der liberalen Schweizer Werte. Wir als liberales Original brauchen also kein neues Parteiprogramm. Aber wir müssen wieder vermehrt bei den Leuten ankommen.“

Wieder eine liberale Volkspartei

Die FDP müsse wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren und vermehrt eine LVP – eine liberale Volkspartei – sein. „Die Leute müssen wissen, dass wir für ihre Freiheit einstehen. Und vor allem müssen sie wissen, dass wir nicht nur für die Freiheit einer Elite oder gar einer Klientel kämpfen.“ Der Liberalismus der FDP sei umfassend, er lasse die Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft sich frei entfalten. „Wenn wir Freiheit sagen, meinen wir die Freiheit der Bäckerin vor dem täglichen Formularkrieg, die Freiheit des Tankstelleninhabers, sein Geschäft auch nachts betreiben zu dürfen oder die Freiheit einer jungen Familie, ihre Arbeitsteilung selbst zu wählen und die Freiheit von Jugendlichen, abends auszugehen.“ Ein so verstandener Liberalismus sei umfassend und konsequent. Er sei ein Lebensgefühl, zitierte Caroni seinen früheren Chef, Alt Bundesrat Hansruedi Merz.

Bei den Leuten sein

Die FDP solle nicht populistisch sein, im Gegenteil. „Unsere Ideen sind die sachlichsten überhaupt. Wir spielen nicht mit den Ängsten der Bevölkerung, sondern verbreiten Zuversicht.“ Volkspartei heisse aber, dass die FDP wieder näher an die Bevölkerung rücken müsse. „Nähe zu den Leuten“ sei seit dem Amtsantritt des neuen Parteipräsidenten Philipp Müller das erste Traktandum an jeder Sitzung der FDP-Bundeshausfraktion – „genau da gehören wir hin! Die Leute wollen uns spüren, das habe ich im Wahlkampf oft gemerkt.“

Die FDP bringe alles mit, was es für eine liberale Volkspartei brauche, sagte Caroni mit Blick auf den Kanton St.Gallen. Sie sei in den Gemeinden und Kantonen stark verwurzelt. Schweizweit sei der Freisinn die Partei mit den meisten Regierungs- und Kantonsräten. In St.Gallen zähle die FDP über 5400 Mitglieder, sie sei präsent mit 155 Gemeinde- und Stadträten sowie 25 Gemeinde- und Stadtpräsidenten. Aus der Festschrift von 1982 zitierend hielt der Redner fest: „Die St.Galler FDP war 1857 eine Massenpartei, die auch noch 125 Jahre später ihren Charakter als Volkspartei bewahren konnte – wenn das mal keine gute Ausgangslage ist.“

Freude steckt an

Um den Volkpartei-Charakter auszuspielen, müssten die FDPler zeigen, dass sie mit Freude bei der Sache sind. Die Ortsparteien als Keimzelle des Erfolgs müssen gestärkt und die Unabhängigkeit der FDP herausgestrichen werden. „Zeigen wir Unabhängigkeit, damit die Leute wissen, dass wir für die Freiheit – auch für ihre – einstehen.“ Am wichtigsten sei jedoch die persönliche Begegnung mit den Menschen. „Suchen wir die persönliche Begegnung, im Säli des Leuen, auf dem Zugperron, im Festzelt, am Marktplatz. Besetzen wir den Dorfplatz!“, forderte Caroni die Zuhörer auf.

Verdienste Keller-Sutters gewürdigt

Parteipräsident Marc Mächler hielt in seinem Jahresbericht Rückschau auf die nationalen und kantonalen Wahlen der letzten Monate. Was die Parlamentsmandate angeht, so habe die FDP ihre bisherige Position im Wesentlichen halten können. Angesichts der Konkurrenz durch neue Parteien und der teils herben Verluste der anderen bürgerlichen Parteien sei dieses Ergebnis zufriedenstellend. Mit grosser Freude kommentierte Mächler die Resultate der Ständerats- und Regierungsratswahlen: „Dass unsere Kandidaten jeweils im ersten Wahlgang gewählt worden sind, spricht für unsere herausragenden Persönlichkeiten und die Qualität des Wahlkampfs.“

Mächler würdigte die Verdienste von Ständerätin Karin Keller-Sutter, die per Anfang Juni aus der St.Galler Regierung ausgeschieden ist. „Es gibt nur sehr wenige Regierungsräte, die mit ihrer Arbeit schweizweit die Diskussion zu schwierigen politischen Themen massgeblich gestalteten wie unsere Karin Keller-Sutter.“ Mächler erwähnte ihren Einsatz gegen den Hooliganismus im Sportbereich, den sie mit viel Mut und trotz häufiger Anfeindungen geleistet hat. „Mit ihrer konsequenten Umsetzung der Gesetzgebung im Asylbereich hat sie Massstäbe gesetzt und die Anliegen der Bevölkerung ernstgenommen. Mit ihrem Kampf gegen häusliche Gewalt hat Karin Keller-Sutter zudem schweizweit Pionierarbeit geleistet.“