KESB: Bahn frei mehr Mitsprache der Gemeinden

Motion der FDP-Fraktion stösst auf Zustimmung der Regierung

Ende April hat die FDP-Kantonsratsfraktion eine Motion eingereicht, die für Gemeinden mehr Mitsprache bei Entscheiden der Kinder– und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) verlangt. In ihrer Antwort heisst die Regierung den Vorstoss mit geändertem Wortlaut gut. Damit stehen im Kanton die Chancen gut, dass eine der grössten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Entscheidungen der KESB in naher Zukunft gelöst werden kann. Dies ist der Unterschied zur medial angekündigten Initiative einiger SVP-Exponenten, die nach den Sommerferien lanciert werden soll.

St.Gallen, 12. Juli 2016 | Die auf Anfang 2013 schweizweit eingeführte Neuregelung des Vormundschaftswesens hatte für die St.Galler Gemeinden einschneidende Konsequenzen. Damals wurden die Vormundschaftsbehörden der Gemeinden durch die neun neuen regionalen Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) abgelöst. Seither sind die Gemeinden verpflichtet, für die getroffenen Massnahmen Kostengutsprachen zu leisten und die finanziellen Lasten zu tragen. In den Entscheidungsprozess bzw. die Prüfung von Massnahmen der KESB werden die Gemeinden jedoch nicht bzw. je nach Region in unterschiedlichem Ausmass und in unterschiedlicher Form miteinbezogen. Dies führt bis heute teilweise zu nicht optimalen Resultaten. Die im April von der FDP-Fraktion eingereichte Motion verlangt, dass die KESB die Gemeinden vor der Anordnung von kostenintensiven Massnahmen standardisiert anhören sollen. Sofern die Ausgangslage dies erfordert, sollen die Gemeinden zudem Akteneinsicht erhalten.

Regierung offen für Anpassung

In ihrer Antwort an den Kantonsrat von Ende Juni beantragt die Regierung die Gutheissung der FDP-Motion mit geändertem Wortlaut. Konkret schlägt die Regierung vor, die Auskunftserteilung durch die KESB an die Gemeinden respektive der Einbezug der zuständigen Gemeindebehörden über den ganzen Kanton hinweg einheitlich zu regeln. Damit bestehen gute Aussichten, dass im Kanton St.Gallen eine der grössten Schwächen der geltenden KESB-Gesetzgebung nun rasch behoben werden kann. Eine standardisierte Mitsprache der Gemeinden wirkt der Gefahr einer Machtballung auf Seiten der KESB-Behörde wirksam entgegen, ohne deren Unabhängigkeit der Aufgabenerfüllung zu gefährden. Die von KESB-Entscheiden betroffenen Familien ihrerseits können darauf vertrauen, dass das vorhandene „Wissen vor Ort“ besser in die Verfügung der Behörde miteinfliesst.

Angekündigte Initiative kaum zielführend

Dass die politische Kontrolle über die KESB im Kanton St.Gallen ernst genommen wird, zeigt auch die Tatsache, dass derzeit eine breit angelegte Überprüfung der Arbeit der KESB-Behörden läuft. Ein Bericht über die Verhältnismässigkeit der getroffenen Entscheide bzw. über die Wirksamkeit von Kinderschutzmassnahmen soll dem Kantonsrat im Verlauf des kommenden Jahrs vorgelegt werden. Parallel dazu ist auf Bundesebene eine weitere Evaluation im Gang, die aufzeigen soll, wie die KESB bestimmte Situationen managt respektive ob und wie sie Familienmitglieder und Gemeinden in die Fälle einbezieht. Vor diesem Hintergrund scheint die von SVP-Exponenten im „St.Galler Tagblatt“ vom 12. Juli angekündigte Volksinitiative „KESB – Mehr Schutz der Familie“ aus Sicht der St.Galler FDP kaum zielführend. Einerseits rennt die Initiative offene Türen ein, andererseits ist sie nicht der richtige Weg, um bekannte Probleme schnell zu lösen. Dabei wäre genau dies im Sinne der betroffenen Bürgerinnen und Bürger.