Langwierige Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren beschleunigen

Vorstoss aus der FDP-Fraktion

Direkte Beschwerde ans Kantonsgericht ermöglichen

Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren im Kanton St.Gallen dauern häufig überdurchschnittlich lange. Das derzeit zweistufige Beschwerdeverfahren – mit der Verwaltungsrekurskommission (VRK) als erster Instanz und dem Kantonsgericht als zweiter Instanz – führt zu Verzögerungen bei Entscheiden, die für betroffene Kinder und Familien von existentieller Bedeutung sind.

24 von 26 Kantonen kennen nur eine einzige Beschwerdeinstanz gegen Entscheide der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB). Nur noch Zürich und St.Gallen halten am zweistufigen Modell fest, wie ein kürzlich erschienener NZZ-Artikel zeigt. Doch auch Zürich plant nun die Abschaffung dieses Zwischenschritts: Künftig sollen Beschwerden direkt ans Obergericht gelangen. Die Zürcher Regierung begründet dies mit der übermässigen Dauer der Verfahren: In 70 % der Fälle dauert es vom KESB-Entscheid bis zum endgültigen Urteil des Obergerichts über 200 Tage, in 20 % sogar über 400 Tage. Die gesamte Zeitspanne zwischen dem erstinstanzlichen Entscheid der KESB und dem rechtskräftigen Urteil kann sich somit häufig über mehr als eineinhalb Jahre erstrecken – für ein Kind eine unzumutbare Perspektive. Wird dieser Schritt vollzogen, bleibt St.Gallen der letzte Kanton, der an der zusätzlichen Instanz festhält – entgegen dem Grundgedanken des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts, wonach Verfahren rasch und im Interesse der Betroffenen geführt werden sollen.

Die aktuelle Praxis verzögert nicht nur wichtige Entscheide im Kanton St.Gallen, sondern bindet auch erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen in der VRK. Gleichzeitig führt der doppelte Instanzenzug in vielen Fällen zu einer unnötigen Belastung der betroffenen Familien. Besonders Kinder empfinden Zeit anders als Erwachsene. Verzögerungen können die emotionale Belastung erhöhen, Konflikte verschärfen und die Grundlage für eine sachgerechte Beurteilung erschweren.

Die Abschaffung der Zuständigkeit der VRK als erste Beschwerdeinstanz im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht würde die Verfahren deutlich verkürzen und die Effizienz steigern. Vor diesem Hintergrund bitten wir die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Teilt die Regierung die Einschätzung, dass Kindes- und Erwachsenenschutzverfahren im Kanton St.Gallen zu lange dauern – insbesondere mit Blick auf die Interessen der beteiligten Kinder?
  2. Wie lange dauern Beschwerdeverfahren in anderen, vergleichbaren Kantonen der Schweiz, die lediglich ein einstufiges Verfahren kennen?
  3. Welche Vor- und Nachteile sieht die Regierung im jetzigen Zwei-Instanzen-Modell gegenüber einem einstufigen gerichtlichen Beschwerdeweg?
  4. Ist die Regierung bereit, dem Kantonsrat Botschaft und Entwurf zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über den Kindes- und Erwachsenenschutz (sGS 912.5, EG-KES) vorzulegen, sodass Beschwerden gegen Verfügungen der KESB im Kanton St.Gallen künftig direkt vom Kantonsgericht beurteilt werden können und das zweistufige Verfahren – wie in bald allen anderen Kantonen – entfällt?»

Abderhalden-Nesslau / Bartl-Widnau / Stöckling-Rapperswil-Jona