Vernehmlassung zu Bericht und Entwurf des Bildungsdepartements über einen «Sonderkredit für die IT-Bildungsoffensive»

Sehr geehrter Herr Regierungsrat

Namens der FDP.Die Liberalen St.Gallen danken wir für die Möglichkeit, im Rahmen der bis 31. Oktober 2016 dauernden Vernehmlassungsfrist zum Projekt «Sonderkredit für die IT-Bildungsoffensive» Stellung nehmen zu können. Wir danken für den Bericht samt Entwurf des Bildungsdepartements ebenso für den ausführlichen Expertenbericht mit Analyse und Vorschlag für den Mitteleinsatz.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Massnahmen gegen den Fachkräftemangel und zum Aufbau von digitalen Kompetenzen sehr begrüssenswert sind. Eine Vernetzung von Bildung und Wirtschaft ist dabei zentral. Die FDP sagt deshalb im Grundsatz ja zur IT-Bildungsoffensive. Dies jedoch nur unter folgenden Auflagen:

  • Eine spürbare und messbare Verbesserung scheint durch die vorgelegte IT-Bildungsoffensive nicht automatisch gegeben. Dafür fehlen trotz der erwähnten Zielsetzungen klar formulierte Massnahmen. Hier muss die Vorlage nachgebessert werden.
  • Bereits bestehende Lehrgänge, z. B. an den Höheren Fachschulen, sind in der Vorlage nicht berücksichtigt. Die FDP erachtet diese Bildungsinstitutionen aber ebenfalls als zentral. Eine Umsetzung von Bildungsmassnahmen lassen in diesen Bereich hohe Effekte erwarten. Die Höheren Fachschulen sind demnach in der Vorlage ebenfalls zu berücksichtigen.
  • Den Stärken des dualen Bildungssystems wird zu wenig Rechnung getragen. Die notwendige basalen IT-Kenntnisse müssen bereits in der Volksschule sowie auf der Sekundarstufe II vermittelt werden. Dafür gilt es aber – vor der entsprechenden Umsetzung von Massnahmen im Rahmen des diskutierten Sonderkredits – Fehler aus der Vergangenheit auszuräumen, so z. B. strukturelle Probleme. In der Vorlage ist ein klarer Fokus auf die Berufsbildung und die darauf vorbereitende Sekundarstufe I zu legen. Denn auch künftige Lehrabgänger sind bei der Beseitigung des Fachkräftemangels von grosser Wichtigkeit.
  • Der Entwurf der Regierung will primär in Institutsstrukturen investieren bzw. neue Forschungsinstitute schaffen. Dies ist kritisch zu hinterfragen. Die FDP ist der Überzeugung, dass vor allem in Ausbildungsleistungen investiert werden muss.
  • Die finanziellen Folgen werden im Entwurf der Regierung nur ungenügend aufgezeigt. Der Bericht spricht zwar von jährlichen Belastungen im Kantonsbudget von 4.4 Millionen Schweizer Franken, berücksichtigt aber die Folgekosten u. a. für die Gemeinden/Schulgemeinden nicht. Insbesondere die hohen Kosten sind für die FDP vor dem Hintergrund relevant, dass der AFP 2018-2020 schon ohne die IT-Bildungsoffensive mit einem jährlichen Aufwandüberschuss von 30-52 Millionen Schweizer Franken rechnet.

Um unseren Standpunkt zu unterstreichen, überlassen wir Ihnen nachfolgend einen Auszug aus der Diskussion unserer zuständigen Fachausschüsse. Die Diskussion wurde – in Ermangelung konkreter, vom Bildungsdepartement gestellter Vernehmlassungsfragen – anhand selbst formulierter Kernfragen geführt:

Grundsätzliches

  1. Überlegungen aus der Sicht der Wirtschaft: Ist der Bedarf an IT-Ausbildung so gross, dass sich ein Sondereffort seitens Kanton rechtfertigen lässt? Kann damit auch eine spürbare/messbare Verbesserung erzielt werden?

Eine spürbare und messbare Verbesserung scheint durch eine IT-Bildungsoffensive nicht automatisch gegeben, zumal die reine Nutzung von IT-Mitteln zur Basisbildung gehören muss. Interessant ist insbesondere die kreative Nutzung der IT für neue innovative Lösungen und Produkte.

Wir gehen davon aus, dass die basale Nutzung von Informatikmitteln und der breit eingeführten Office-Produkten für die überwiegende Mehrheit der Absolventinnen und Absolventen der Volksschule bereits heute weitgehend gewährleistet ist, bzw. mit der Einführung des LP 21 Fortschritte zu verzeichnen sein werden. Ein effektives Manko scheint uns hier nicht gegeben. Eine spürbare Verbesserung würde erwartet, wenn gut fokussierte Massnahmen in relevanten Bereichen der Sekundarstufe I (Verstärkung der Stundendotation für IT-Unterricht), der Berufsbildung und der Mittelschulen (Verstärkung der MINT-Fächer) einerseits und den Studien auf Tertiärer Stufe (Höhere Fachschulen, Fachhochschule, Universität) andererseits ergriffen werden. Die Höheren Fachschulen fehlen im Entwurf der Regierung.

  1. Überlegungen aus kantonaler Sicht: Sind die 75 Millionen Schweizer Franken über 8 Jahre bei einem Jahresbudget ca. 5 Milliarden Schweizer Franken tragbar?

Bericht und Entwurf zeigen zu wenig auf, welches die finanziellen Konsequenzen der Gewährung eines so bedeutenden Sonderkredits für den Aufgaben- und Finanzplan der Regierung sein werden. Der AFP 2018-2020 rechnet schon ohne die IT-Bildungsoffensive mit jährlichen Aufwandüberschüssen von 30-52 Mio. CHF jährlich. Mit in die Überlegungen einzubeziehen ist, welche Kosten zusätzlich auf die (Schul-)Gemeinden zukommen können.

  1. Überlegungen aus der Sicht der Gesellschaft: Entsteht aus der IT-Bildungsinitiative ein spürbarer/messbarer Nutzen für die Gesellschaft?

Eine erfolgreiche Umsetzung der IT-Bildungsoffensive lässt eine bessere Positionierung des Kantons in Bezug auf Forschung und Austausch von Innovationen und innovativen Arbeitskräften erhoffen.

Zum Vorschlag der Regierung

  1. Sind Schwerpunkte, Leitlinien und Massnahmen richtig gesetzt?

Die Schwerpunkte 2-4 werden von uns gut verstanden. Sie erscheinen uns geeignet, um mit fokussiertem Mitteleinsatz direkt relevante Ergebnisse (Absolventen der Höheren Berufsbildung, der Höheren Fachschulen sowie von FHO und HSG) zu erzielen. Der Aufbau eines Zentrums für IT-Bildungsfragen an der PHSG und die offenbar als nötig erachtete Nachqualifikation von Lehrpersonen (eine Begründung für diesen expliziten Bedarf bleibt der Bericht u. E. schuldig) gehört eigentlich in den Grundauftrag der Volksschule und deren Trägern. Aufgrund der trotz der Höhe des angedachten Sonderkredits beschränkten Mittel stellt sich für uns die Frage nach einer stärkeren Fokussierung. Wir beurteilen darum den Schwerpunkt 1 teilweise kritisch, insbesondere bezüglich der Frage, ob die dort angedachten Massnahmen Teil der IT-Bildungsoffensive sein sollen. Andererseits sind wir durchaus der Auffassung, dass Anstrengungen auf der Zuliefererstufe (Primarschule, Sekundarstufe I) nötig sind. Allerdings sollen Fehler der Vergangenheit unabhängig vom Sonderkredit für die IT-Bildungsoffensive ausgeräumt werden bzw. sollen strukturelle Probleme nicht via Sonderkredit gelöst werden.

Zusatzbemerkung: Wenn tatsächlich ein Leitmedienwechsel auch im Kanton St.Gallen angestrebt wird, ist die Aufgabe kantonaler Lehrmittelverläge (die u. a. eigene Druckereien betreiben) zu hinterfragen.

  1. Ist die Aufteilung auf die verschiedenen Bildungsstufen gerechtfertigt? Wäre eine Verschiebung nach unten oder oben oder eine Konzentration sinnvoller?

Wir sind der Auffassung, dass die Schwerpunkte auf der Ebene Fachhochschule und Universität richtig gesetzt sind und auch die Vernetzung mit der Wirtschaft besondere Anstrengungen verdient. Aus unserer Sicht fehlt ein Fokus im Bereich der Berufsbildung (und auch in der darauf vorbereitenden Sekundarstufe I). In allen Berufsfeldern (von Forstwart über die Pflegefachpersonen bis zu den Landwirten, um nur einige Berufe zu nennen, an die vielleicht nicht automatisch gedacht wird) sollten Anstrengungen unternommen werden, um IT-Prozesse, Software etc. als unersetzlichen Teil des beruflichen Handwerkzeugs zu erkennen und einzusetzen. Davon erhoffen wir uns einen echten Schub in der Praxis, wo so ausgebildete Personen zum Einsatz kommen und «on the job» auch neue Lösungen entwickeln werden.

  1. Kann mit den jeweils zugeteilten Budgets eine massive Verbesserung erzielt werden? Braucht es eher mehr oder eher weniger Mittel? Wie beurteilen wir das Kosten-Nutzen-Verhältnis des beantragten Sonderkredits?

Die Herleitung erscheint uns nachvollziehbar, insbesondere, wenn unsere vorherigen Bemerkungen Berücksichtigung finden. Im Schwerpunkt 1 jedoch scheint uns die Wirkung eines neuen CAS nicht überzeugend. Wir vermuten, dass ein neues CAS nicht befähigtere Lehrpersonen hervorbringt, sondern v. a. bereits IT-affine Lehrpersonen weiter stärkt. Es ist auf breitere Wirkung zu achten. Es braucht zudem eine grosse Zahl echter Motivatoren für Belange der MINT-Fächer und nicht eine oberflächliche «Nachqualifikation».

  1. Profitieren die Schüler/Studenten oder eher die Institute?

Der Expertenbericht (Liste der Mitwirkenden) zeigt das grosse Gewicht von Verwaltung und Bildungsinstitutionen bei der Erarbeitung der Massnahmen. Es entsteht der Eindruck, dass die Bestellung massgeblich von den mit der Ausführung beauftragten Institutionen erarbeitet wurde. Es fehlt uns die wirklich unabhängige Sicht insbesondere auch ausserkantonaler und im IT-Bereich erfolgreicher Unternehmen und Institutionen. Uns scheint, dass eher die Institute profitieren, da die konkreten Massnahmenvorschläge auch dort angesiedelt sind. Kritisch zu hinterfragen ist darum die Wirkung, welche die Mittel für Forschung tatsächlich haben werden. Es soll nicht in Institutsstrukturen, sondern in Ausbildungsleistung investiert werden.

  1. Entfaltet der Vorschlag genügend regionale Wirkung?

Bei den Massnahmen auf Stufe Universität muss von einem Abgang von hier ausgebildeten Absolventen/innen in andere Kantone und Länder ausgegangen werden. Dieser Mangel an fokussierter regionaler Wirkung wird möglicherweise kompensiert durch die positiven Effekte der Kooperation der Studierenden und Dozierenden. Bei den Massnahmen auf Stufe FH und Berufsbildung gehen wir von einer hohen regionalen Wirkung aus, obwohl auch hier Abgänge in andere Kantone nicht auszuschliessen sind. Da die FH und die Berufsbildung explizit mit der lokalen Wirtschaft zusammenarbeiten, wird ein positiver Effekt grundsätzlich erwartet.

  1. Welche Änderungen müssten vorgenommen werden, um die Wirkung zu verbessern?

Siehe oben. Es ist zudem zu prüfen, inwieweit es angezeigt ist, mit Blick auf künftige Entwicklungen auch auf standortunabhängig abrufbare Ausbildungsangebote zu setzen.

Insgesamt vertreten wir die Auffassung, dass mit der IT-Bildungsoffensive die Knappheit an Fachkräften nicht gelöst ist und die grundlegende Veränderung der Interessenhaltung gegenüber diesen Fachbereichen noch nicht erzielt ist. Immerhin aber ist es eine Chance, Verbesserungen zu erreichen. Bei allen Anstrengungen ist eine Vernetzung von Bildung und Wirtschaft (Schwerpunkt 4) für uns von grosser Wichtigkeit.

Für die Berücksichtigung unserer Argumente danken wir Ihnen.

 

Freundliche Grüsse
FDP.Die Liberalen St.Gallen

Raphael Frei                                                               Beat Tinner
Kantonalpräsident                                                       Fraktionspräsident